1. Allgemein & Problemstellung
Wusstest du, dass…
…Sir David Attenborough der Überzeugung ist: “Die Rettung des Planeten ist heutzutage eine Aufgabe der Kommunikation.”41
Egal, ob es um die Bewerbung der Konzerte an sich geht, die Kommunikation zu nachhaltigen und kreislauffähigen Elementen oder die Übermittlung von Informationen über Sicherheit und Barrierefreiheit – Kommunikation ist im Veranstaltungskontext ein Schlüsselelement. Das gilt für das Publikum und die beteiligten Stakeholder*innen, Bands und Crews.
Gleichzeitig birgt Kommunikation und Bildung zu nachhaltigen Themen auch Fallstricke. Speziell bei der Kommunikation nachhaltiger Konzepte gilt: Wenn Versprechungen gemacht werden, die nicht eingehalten oder die Ergebnisse im Nachgang nicht transparent kommuniziert werden, sind Greenwashing-Vorwürfe, Shitstorms oder das Canceln eines Events oder öffentlicher Personen wahrscheinlich. Falsche Kommunikation kann auch dazu führen, dass Konzepte zu Abfalltrennung, zu nachhaltiger Beschaffung, zu veganem Speisenangebot und Co. nicht akzeptiert oder umgesetzt werden.
Fazit: Kommunikation ist ein riesiger Hebel, um das Publikum und alle an einer Veranstaltung beteiligten Personen mit auf die Reise zu nehmen, zu informieren und zu inspirieren. Gleichzeitig muss Kommunikation transparent, ehrlich und glaubwürdig sein. Digitale Kommunikation wird zunehmend wichtiger zur Bindung der Zielgruppe.
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2. Unsere Messlatte für Labor Tempelhof
Beim Labor Tempelhof stand im Fokus, das an Cradle to Cradle orientierte Nachhaltigkeitskonzept einfach zu kommunizieren, die Erfolge und die nicht erreichten Ziele im Nachgang zu analysieren und transparent zu machen und Wege zu finden, das Konzept in die Breite zu bringen. Dazu wurden folgende Maßnahmen geplant:
- Unsere Kommunikationsstrategie: Da Labor Tempelhof ein Pilotprojekt war, haben wir uns dazu entschieden, erst zu handeln, dann zu reden und über das Projekt zu kommunizieren.
- Grundwissen über Cradle to Cradle und Nachhaltigkeit zunächst im eigenen Team verankern, bevor nach außen kommuniziert wird.
- Ganzheitliche und glaubwürdige Kommunikation aller Nachhaltigkeitsziele und Maßnahmen, was erreicht und nicht erreicht wurden. Dieses Reporting durch möglichst viele belegbare Zahlen und Fakten aus dem Impact Measurement und der Klimabilanz unterstützen.
- Chance nutzen, das Publikum für Nachhaltigkeit, Kreislauffähigkeit und einen anderen Umgang mit Ressourcen zu sensibilisieren, zu begeistern und Cradle to Cradle erlebbar und greifbar zu machen. Die Kommunikation soll dazu beitragen, einen Lern- und Verständnisprozess in der Veranstaltungsbranche, in der Politik und in der Gesellschaft anzustoßen.
- Umfassendes Informationskonzept zu den Zielen und Hintergründen von Labor Tempelhof vor Ort für das Publikum und digital.
- In der Berichterstattung der Medien über die Konzerte und das Projekt soll die Besonderheit des Konzepts und eine Kreislaufwirtschaft nach Cradle to Cradle eine Rolle spielen.
- Kommunikationsmittel sollen Cradle to Cradle entsprechen.
3. Was lief gut, was geht besser?
Das Labor Tempelhof verfügte über eine umfassende Kommunikationsstrategie inklusive der folgenden Aspekte:
Vor den Konzerten
Was lief gut?
- Vorab-Briefing aller beteiligten Gewerke in Form von Nachhaltigkeitsgrundsätzen im Namen der Bands, die an die jeweiligen Verträge gekoppelt waren.
- Erstellung eines Reports für politische Entscheidungsträger*innen: Die Erkenntnisse der praktischen Umsetzung von nachhaltigen und kreislauffähigen Innovationen mündeten in einem Appell an die Politik mit konkreten Empfehlungen für eine Kreislaufwirtschaft nach Cradle to Cradle.
- Infoschreiben für Anwohner*innen des Tempelhofer Felds auf C2C-Papier mit C2C-Druckfarbe mit einer Auflage von insgesamt 35.000 Stück.
- Infoveranstaltung für Mitarbeitende zum Labor Tempelhof.
- Führungen über das Gelände für NGOs, Politiker*innen, Veranstaltende sowie Presse, um das gewonnene Wissen und Informationen zu den vor Ort umgesetzten Maßnahmen und Innovationen zu teilen.
- Kleine Auflage von nach Cradle to Cradle gedruckten Konzertplakaten zur Bewerbung konnte Indoor in Rahmen angebracht werden.
Was geht besser?
- Pilotprojekt für Außenwerbung mit 500 nach Cradle to Cradle gedruckten Plakaten und biologisch abbaubarem Kleister scheiterte, weil Plakate und Kleister nicht witterungsbeständig waren.
- Digitale Aus- und Weiterbildung von lokalen Crews z. B. in Verbindung mit einer Sicherheitsunterweisung.
- Noch umfassenderes Briefing aller Beteiligten, um ein grundsätzliches Verständnis für die Relevanz von Nachhaltigkeit und Cradle to Cradle im Veranstaltungskontext zu schaffen.
Auf den Konzerten
Was lief gut?
- Informationen zum Nachhaltigkeitskonzept und den umgesetzten Maßnahmen für das Publikum vor Ort durch Plakate und Banner auf dem Gelände sowie an den Food-Ständen.
- Digitale Informationen zum Nachhaltigkeitskonzept und den umgesetzten Maßnahmen auf der Projektwebseite und begleitende Kommunikation auf Social Media seitens der Initiatoren.
- Informationsträger wie Banner und Plakate bestanden, wenn möglich, aus C2C-Materialien. Alternativ wurden nachhaltige Materialien wie zum Beispiel PVC-freie Banner verwendet. Es wurde darauf geachtet, möglichst viele dieser Elemente zu mieten oder selbst herzustellen, statt zu kaufen.
- Die Beschilderung der Abfallstationen wurde als Holzkonstruktion ohne Klebeverbindung konzipiert, mit Infotafeln, die durch Siebdruck mit giftstofffreier Farbe bedruckt wurden.
- Spielerische Elemente zur Bildung und Informationsvermittlung wie ein Quiz, P-Bank und ein Phosphor-Meter.
- “Cradle Village” als Bildungs- und Ausstellungsort für besondere Cradle to Cradle und nachhaltige Innovationen sowie als Standflächen für NGOs.
- Botschafter*innen vor Ort zur Aufklärung über das Konzept der Konzerte im “Cradle Village” und an den 25 Abfallstationen.
- Ansagen der Bands zum Nachhaltigkeitskonzept von der Bühne.
- Berichte von ARD Tagesthemen und RBB Abendschau am Tag der Konzerte.
Was geht besser?
- Einordnung des Projekts und umfassendes Briefing der örtlichen Crew zum Labor Tempelhof und dem Nachhaltigkeitskonzept rechtzeitig vor der Veranstaltung.
Nach den Konzerten
Was lief gut?
- Interviews und Einordnung des Projekts in der Presse mit Fokus auf dem C2C-orientierten Konzept.
- Guidebook für die Veranstaltungsbranche als Dokumentation aller Erkenntnisse, gefördert durch die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien. Runder Tisch als Austauschformat mit der Branche, um deren Bedarf und Anforderungen an das Guidebook möglichst gut abdecken zu können.
- Vorstellung des Projekts auf Branchenveranstaltungen in Form von Panels, Keynotes, Präsentationen sowie beim C2C-Summit zum Labor Tempelhof und bei der Green Culture Konferenz in Bremerhaven.
- Kurzer Info-Film zum Projekt.
- Feedbacks und Debriefings mit allen Projektbeteiligten für größtmögliche Lerneffekte.
- Veranstaltungsreihe in 12 Berliner Bezirken, um Informationen und Erkenntnisse in die Gesellschaft zu tragen, ab Herbst 2023.
- Ausstellung in Berlin zu den Erkenntnissen des Projekts und deren Übertragbarkeit ab Januar 2024.
- Erstellung einer Klimabilanz auf Basis des Impact Measurements.
Was geht besser?
- Einsatz einer App für die Kommunikation zum Konzept mit Fans. Diese Idee stand kurzzeitig im Raum, ist dann aber aufgrund des Arbeitsaufwands, der Kosten und einer als gering eingeschätzten Nutzung nicht umgesetzt worden.
- Vorhandener Telegram-Live-Channel hätte besser genutzt und beworben werden können, um während der Konzerte über das Konzept zu informieren und den Informationsfluss mit Fans nach den Konzerten aufrecht zu erhalten.
4. Erkenntnisse & Empfehlungen
- Plakatierung nach Cradle to Cradle ist bisher noch eine Herausforderung.
- C2C-zertifizierte Poster funktionieren Indoor in Rahmen.
- Für Außenwerbung braucht es andere Lösungen, da es noch keine witterungsfeste C2C-Beschichtung für Plakate sowie Kleister gibt.
- In diesem Bereich könnte die gemeinsame Entwicklung von C2C- oder nachhaltigen Plakatierungslösungen sowie generelle Lösungen für Außenwerbung mit einem Werbemittelhersteller durch einen großen Veranstalter zu einem systematischen Wandel führen.
- Die Kommunikationsstrategie hat dazu geführt, dass die örtliche Crew nicht ausreichend über das Konzept informiert werden konnte.
- Grundsätzlich sollten alle internen Beteiligten so frühzeitig wie möglich informiert und gebrieft werden.
- Je besser ein Nachhaltigkeitskonzept in den Köpfen aller Beteiligten verankert ist, desto effektiver und einfacher ist die Umsetzung.
- Vorhandene Infrastruktur nutzen.
- Große Screens auf und neben der Bühne nutzen, um darüber Informationen zum Konzept an das Publikum zu kommunizieren.
- Umbaupausen nutzen, um beispielsweise einen Info-Film zu zeigen, um das Bewusstsein der Fans zu schärfen.
- Möglichst zeitloses Informationsmaterial erstellen, das immer wieder verwendet werden kann.
- Aufrichtige Kommunikation von Nachhaltigkeitsansätzen kann als verbindendes Element zwischen Künstler*innen und Fans genutzt werden.
- Dafür zielgruppengerechte Kanäle wählen.
6. Weitere Inspiration aus der Branche
Billie Eilish macht es vor: 2022 hat sie sich mit der amerikanischen NGO Reverb zusammengetan, um hinter der Bühne produktionsrelevante Maßnahmen zur Reduktion ihres CO₂-Fußabdruckes umzusetzen und aktiv gegen die Klimakrise zu werden. Auch vor der Bühne sensibilisiert sie mithilfe von Reverb ihre Fans für nachhaltige Themen. Das beinhaltet pro Konzert ein “Eco-Village”, also ein Bereich, in dem sich lokale NGOs vorstellen und dem Publikum Wissen rund um vegane Ernährung, Aktivismus und politische Bildung vermitteln. Die Fans wiederum können sich für “Challenges” rund um eine Ernährungsumstellung oder ehrenamtliche Schichten bei lokalen NGOs verpflichten.42
Das Shambala Festival (Kapazität: 25.000) veröffentlicht 2023 ihre neue 5-Jahres Nachhaltigkeitsstrategie, kann aber jetzt schon auf Erfolge zurückblicken: Durch ausgiebige Kommunikationsmaßnahmen gab es 2021 keine zurückgelassenen Zelte und das Publikum wurde aufgefordert, seinen eigenen Mehrweg-Kaffeebecher mitzubringen.43
Das Tollwood Festival in München (Kapazität: 1.5 Millionen) setzt seit 2007 auf den “Weltsalon”: Ein 1.400 m2 großes interaktives Zelt, in dem Panels, Vorträge, Konzerte und interaktive Installationen rund um Themen wie Klimagerechtigkeit, Innovationen, Krieg und Frieden und mehr stattfinden. Weitere Bildung und Interaktion findet sich auf dem gesamten Veranstaltungsgelände, so wurden beispielsweise in Zusammenarbeit mit einem Forschungsteam der Uni Greifswald die wahren Kosten in der Herstellung von Lebensmitteln vor Ort transparent aufgezeigt.44