Kommunikation & Bildung
Inhalt
Das Kapitel „Kommunikation & Bildung“ von Labor Tempelhof 2022 finden sie hier.
1. Allgemein & Problemstellung
Wusstest du, dass…
…Sir David Attenborough der Überzeugung ist: “Die Rettung des Planeten ist heutzutage eine Aufgabe der Kommunikation?”40
Egal, ob es um die Bewerbung der Konzerte an sich geht, um die Kommunikation zu nachhaltigen und kreislauffähigen Elementen oder um die Übermittlung von Informationen über Sicherheit und Barrierefreiheit – Kommunikation ist im Veranstaltungskontext ein Schlüsselelement. Das gilt für das Publikum und die beteiligten Stakeholder*innen, Bands und Crews.
Gleichzeitig birgt Kommunikation und Bildung zu nachhaltigen Themen auch Fallstricke. Speziell bei der Kommunikation nachhaltiger Konzepte gilt: Wenn Versprechungen gemacht werden, die nicht eingehalten oder die Ergebnisse im Nachgang nicht transparent kommuniziert werden, sind Greenwashing-Vorwürfe, Shitstorms oder das Canceln eines Events oder öffentlicher Personen möglich. Falsche Kommunikation kann auch dazu führen, dass Konzepte zu Abfalltrennung, zu nachhaltiger Beschaffung, zu veganem Speisenangebot und Co. nicht akzeptiert oder umgesetzt werden.
Kommunikation ist ein riesiger Hebel, um das Publikum und alle an einer Veranstaltung beteiligten Personen mit auf die Reise zu nehmen, zu informieren und zu inspirieren. Gleichzeitig muss Kommunikation transparent, ehrlich und glaubwürdig sein. Digitale Kommunikation wird zunehmend wichtiger zur Bindung der Zielgruppe.
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2. Unsere Messlatte für Labor Tempelhof
Beim Labor Tempelhof stand im Fokus, das an Cradle to Cradle orientierte Nachhaltigkeitskonzept einfach zu kommunizieren, die Erfolge und die nicht erreichten Ziele im Nachgang zu analysieren und transparent zu machen und Wege zu finden, das Konzept in die Breite zu bringen. Dazu wurden folgende Maßnahmen geplant:
- Unsere Kommunikationsstrategie: Da Labor Tempelhof ein Pilotprojekt war, haben wir uns vor den Konzerten 2022 dazu entschieden, erst zu handeln, dann zu reden und über das Projekt zu kommunizieren. 2024 wurde hingegen bereits bei der Ankündigung der Konzerte auf das Cradle to Cradle-Zielbild verwiesen, da das Projekt und sein Laborcharakter zu diesem Zeitpunkt bereits öffentlich bekannt waren.
- Grundwissen über Cradle to Cradle und Nachhaltigkeit zunächst im eigenen Team verankern, bevor nach außen kommuniziert wird.
- Ganzheitliche und glaubwürdige Kommunikation aller Ziele und Maßnahmen, was erreicht und nicht erreicht wurde. Dieses Reporting durch möglichst viele belegbare Zahlen und Fakten aus dem Impact Measurement und der Klimabilanz unterstützen.
- Chance nutzen, das Publikum für Nachhaltigkeit, Kreislauffähigkeit und einen anderen Umgang mit Ressourcen zu sensibilisieren, zu begeistern und Cradle to Cradle erlebbar und greifbar zu machen. Die Kommunikation soll dazu beitragen, einen Lern- und Verständnisprozess in der Veranstaltungsbranche, in der Politik und in der Gesellschaft anzustoßen.
- Weiterer Ausbau des Informations- und Bildungskonzepts vor Ort zu den Zielen und Hintergründen des Labor Tempelhof. Mehr interaktive Formate, um dem interessierten Publikum einen möglichst spielerischen und einfachen Einstieg in das Thema Cradle to Cradle zu ermöglichen.
- Labor Tempelhof C2C-Summit: Fachkonferenz mit Gästen aus der Veranstaltungsbranche, Politik und Wirtschaft zum Auftakt der Konzerte, inkl. Führungen über das aufgebaute Konzertgelände mit dem Ziel, näher auf einzelne umgesetzte Maßnahmen einzugehen.
- In der Berichterstattung der Medien über die Konzerte und das Projekt soll die Besonderheit des Konzepts und eine Kreislaufwirtschaft nach Cradle to Cradle eine Rolle spielen.
- Kommunikationsmittel sollen Cradle to Cradle entsprechen.
3. Was lief gut, was geht besser?
Vor den Konzerten
Was lief gut?
- Vorab-Briefing aller beteiligten Gewerke in Form von Nachhaltigkeitsgrundsätzen bzw. Guidelines für Crew & Gewerke; Lieferant*innenumfrage.
- Infoschreiben für Anwohner*innen des Tempelhofer Felds auf C2C-Papier mit C2C-Druckfarbe mit einer Auflage von insgesamt 26.600 Stück.
- Teilen spezifischer Inhalte und Infos zu Labor Tempelhof über Social Media-Kanäle vorab als Teil des umfassenden Kommunikationskonzepts, inkl. eigenem Instagram-Kanal für das Projekt.
- Die Ärzte haben im Rahmen von Interview- und Presseterminen im Vorfeld der Konzerte auch das Nachhaltigkeitskonzept promotet.
- Aufgleisung und Planung eines dokumentarischen Imagefilms über das Projekt.
- Summit: Am Rande des ersten Konzerttages haben wir beim “C2C Summit: Labor Tempelhof” mit 177 Gästen aus der Politik und der Veranstaltungsbranche sowie mit Umsetzungspartner*innen des Labors darüber gesprochen, wie C2C die Zukunft der Kulturbranche und unsere Gesellschaft verändert und welche Rolle das Labor dabei spielt. Die Summit-Teilnehmenden konnten sich bei einer exklusiven Führung über das Konzertgelände ein Bild von den umgesetzten Cases machen, bevor weitere Panels verschiedene Aspekte von Labor Tempelhof vertieften.
Was geht besser?
- Nutzung von C2C-Kommunikationsmitteln auf Werbeplattformen im öffentlichen Raum, wie z.B. Plakatwände und Litfaßsäulen, ist aktuell weiterhin schwierig, weil Plakate und Kleister nicht witterungsbeständig sind. Die Plakate sind in der Regel aus Affichenpapier hergestellt, das es bislang nicht in C2C-Qualität gibt.
- Digitale Schulungs- und Unterweisungsmöglichkeiten für lokale Teams, z.B. zur effektiven Vermittlung von Sicherheits- oder Awarenessthemen.
- Eine Lieferant*innenumfrage zur nachhaltigen Umsetzung sollte Teil der Dienstleistung sein und im Zuge der Absprache zur Zusammenarbeit definiert werden.
Auf den Konzerten
Was lief gut?
- Großflächige Informationen zum Nachhaltigkeitskonzept und den umgesetzten Maßnahmen für das Publikum vor Ort durch Plakate, Banner sowie Videoscreens auf dem Gelände und an den Food-Ständen.
- Informationsträger wie Banner und Plakate bestanden, wenn möglich, aus C2C-Materialien. Alternativ wurden nachhaltige Materialien wie zum Beispiel PVC-freie Banner verwendet. Es wurde darauf geachtet, möglichst viele dieser Elemente aus dem Jahr 2022 wiederzuverwenden, zu mieten oder selbst herzustellen, statt zu kaufen. Beim Gestaltungskonzept der Medien wurde zudem die Möglichkeit zur mehrmaligen Nutzung von vornherein einbezogen.
- Digitale Informationen zum Nachhaltigkeitskonzept und den umgesetzten Maßnahmen auf der Projektwebseite und begleitende Kommunikation auf Social Media seitens der Initiatoren.
- Die Beschilderung der Sammelstationen (Nährstoffinseln) wurde als Holzkonstruktion ohne Klebeverbindung konzipiert, mit Infobannern, die durch Siebdruck mit giftstofffreier Farbe bedruckt wurden.
- Spielerische Elemente zur Bildung und Informationsvermittlung wie ein Quiz, P-Bank und ein Phosphor-Meter.
- “Cradle Village” als Bildungs- und Ausstellungsort für besondere Cradle to Cradle- und nachhaltige Innovationen sowie als Standflächen für NGOs.
- Botschafter*innen vor Ort zur Aufklärung über das Konzept der Konzerte im “Cradle Village” und an den 23 Sammelstationen (Nährstoffinseln)
- Ansagen der Bands zum Nachhaltigkeitskonzept von der Bühne.
- Datensammlung zum Anreiseverhalten per digitaler Mobilitätsumfrage.
- Umfrage bei Besuchenden des Cradle Village zu Inhalt und Verständlichkeit des Informations- und Bildungskonzepts.
- Information zu pfandfreier Ausgabe und Rücknahme von Mehrweggeschirr und Besteck.
Was geht besser?
- Nachhaltigkeitsagenda der Veranstaltung insgesamt noch tiefer einbetten in DNA der gesamten Organisationsstruktur.
- Bauzaunbanner in C2C-Qualität und durchlässig für Wind, bis auf weiteres nicht verfügbar.
Nach den Konzerten
Was lief gut?
- Interviews und Einordnung des Projekts in der Presse mit Fokus auf dem C2C-orientierten Konzept.
- Update Guidebook 2024 für die Veranstaltungsbranche als Dokumentation aller Erkenntnisse.
- Kommunikation von Ergebnissen und Erfahrungen zu Labor Tempelhof 2.0 bei Panels, Keynotes und Präsentationen.
- Fertigstellung und Veröffentlichung des projekteigenen Imagefilms über das Format Labor Tempelhof und die Vision der Initiatoren über Social Media und die eigene Homepage.
- Ausstrahlung 4-teiliger Miniserie über Labor Tempelhof im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, im Wissenschaftsmagazin Nano auf 3Sat.
- Eine Folge des Kinderformats “Checker Tobi” erklärt die Absicht von Labor Tempelhof für junge Menschen. Ausstrahlung laut Sender geplant für Ende 2024/Anfang 2025.
- Feedbacks und Debriefings mit allen Projektbeteiligten für größtmögliche Lerneffekte.
- Erstellung einer Klimabilanz auf Basis des Impact Measurements.
Was geht besser?
- Es gibt immer Luft nach oben, aktuell haben wir innerhalb der uns vorgenommenen Messlatte (noch) keine konkreten Maßnahmen zur Verbesserung identifiziert.
4. Erkenntnisse & Empfehlungen
- Plakatierung nach Cradle to Cradle ist bisher noch eine Herausforderung.
- C2C-zertifizierte Poster funktionieren Indoor in Rahmen.
- Für Außenwerbung braucht es andere Lösungen, da es noch keine witterungsfeste C2C-Beschichtung für Plakate sowie Kleister gibt.
- In diesem Bereich könnte die gemeinsame Entwicklung von C2C- oder nachhaltigen Plakatierungslösungen sowie generelle Lösungen für Außenwerbung mit einem Werbemittelhersteller durch einen großen Veranstaltenden zu einem systematischen Wandel führen.
- Vorhandene Infrastruktur nutzen.
- Große Screens auf und neben der Bühne nutzen, um darüber Informationen zum Konzept an das Publikum zu kommunizieren.
- Umbaupausen nutzen, um beispielsweise einen Info-Film zu zeigen, um das Bewusstsein der Fans zu schärfen.
- Möglichst zeitloses Informationsmaterial erstellen, das immer wieder verwendet werden kann.
- Authentische Kommunikation von Nachhaltigkeitsansätzen kann als verbindendes Element zwischen Künstler*innen und Fans genutzt werden.
- Dafür zielgruppengerechte Kanäle wählen.
6. Weitere Inspiration aus der Branche
Billie Eilish macht es vor: 2022 hat sie sich mit der amerikanischen NGO Reverb zusammengetan, um hinter der Bühne produktionsrelevante Maßnahmen zur Reduktion ihres CO₂-Fußabdruckes umzusetzen und aktiv gegen die Klimakrise zu werden. Auch vor der Bühne sensibilisiert sie mithilfe von Reverb ihre Fans für nachhaltige Themen. Das beinhaltet pro Konzert ein “Eco-Village”, also ein Bereich, in dem sich lokale NGOs vorstellen und dem Publikum Wissen rund um vegane Ernährung, Aktivismus und politische Bildung vermitteln. Die Fans wiederum können sich für “Challenges” rund um eine Ernährungsumstellung oder ehrenamtliche Schichten bei lokalen NGOs verpflichten.41
Das Shambala Festival (Kapazität: 25.000) veröffentlicht 2023 ihre neue 5-Jahres Nachhaltigkeitsstrategie, kann aber jetzt schon auf Erfolge zurückblicken: Durch ausgiebige Kommunikationsmaßnahmen gab es 2021 keine zurückgelassenen Zelte und das Publikum wurde aufgefordert, seinen eigenen Mehrwegkaffeebecher mitzubringen.42
Das Tollwood Festival in München (Kapazität: 1.5 Millionen) setzt seit 2007 auf den “Weltsalon”: Ein 1.400 m2 großes interaktives Zelt, in dem Panels, Vorträge, Konzerte und interaktive Installationen rund um Themen wie Klimagerechtigkeit, Innovationen, Krieg und Frieden und mehr stattfinden. Weitere Bildung und Interaktion findet sich auf dem gesamten Veranstaltungsgelände, so wurden beispielsweise in Zusammenarbeit mit einem Forschungsteam der Uni Greifswald die wahren Kosten in der Herstellung von Lebensmitteln vor Ort transparent aufgezeigt.43